Universität Bonn

Institut für Physiologie

Geschichte des Instituts    

Die Medizinische Fakultät der Universität Bonn wurde am 18. Oktober 1818 gegründet. Das erste Domizil der medizinischen Anstalten war das Kurfürstliche Schloss, in dem für die medizinischen Wissenschaften zwei Anstalten vorgesehen waren, das »anatomische Theater und das Klinicum«. Die Anatomie, zu der damals auch die Physiologie sowie die pathologische Anatomie zählten, war im Südostflügel des Schlosses untergebracht. Über 50 Jahre blieben die Räumlichkeiten der medizinischen Wissenschaften im ehemaligen Residenzschloss. Erst während des Kaiserreichs wurden für Institute und Kliniken neue Gebäude außerhalb des Stadtkerns errichtet.
Mit der Berufung Eduard Pflügers zum ordentlichen Professor der Physiologie der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn im Jahre 1859 konnte sich die Physiologie als selbstständiges Fach etablieren und eine Trennung der Professuren der Anatomie und Physiologie erwirkt werden. Das neu gegründete Physiologische Institut wurde zunächst in einfachen Räumlichkeiten untergebracht, bevor es 1872 in das Gebäude am Hofgarten, das heutige Akademischen Kunstmuseum, einzog. Im November 1878 zog das Physiologische Institut in das neue Institutsgebäude im Neubaugebiet für die naturwissenschaftlichen und landwirtschaftlichen Institute in Poppelsdorf. Nach einer umfassenden Sanierung des Gebäudes ist das Institut für Physiologie II 2010 von der Wilhelmstraße wieder in die Nussallee gezogen, außerdem befindet sich das Institut für Molekulare Biologie und Biochemie in dem Gebäude.

Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© Uni Bonn

Pioniere der Biologie und Medizin

Johannes Müller (1801-1858) gilt als einer der Pioniere der Biologie und Medizin des 19. Jahrhunderts. Seine Arbeiten waren für die vergleichbare Anatomie, Embryologie sowie die allgemeine und experimentelle Physiologie bemerkenswert. Mit der schöpferischen Verknüpfung zwischen romantischer Naturphilosophie und naturwissenschaftlichen Errungenschaften gelang es Müller wesentliche Grundsteine für die moderne Physiologie und Biologie zu schaffen.

»Mit Johannes Müller verabschiedete sich sozusagen die Medizin der Goethezeit und mutierte endgültig zur Naturwissenschaft«1.

1819 immatrikulierte sich Müller an der Medizinischen Fakultät der Universität Bonn. Sein Studium schloss er 1822 mit Promotion ab. Kaum zwei Jahre später habilitierte er in den Fächern Physiologie und vergleichende Anatomie und Physiologie. 1833 folgte er einem Ruf auf einen Lehrstuhl in Berlin, den er bis zu seinem Tode 1858 innehatte. Obwohl er nur wenige Jahre der Medizinische Fakultät der Bonner Universität angehörte, zählte er zu einer ihrer bedeutendsten Persönlichkeiten. Als einer der ersten Habilitanden erhielt er 1824 die Venia legendi am Institut.
Während seiner Bonner Zeit widmete sich Müller insbesondere vergleichend-anatomischen Untersuchungen der Sinnesorgane, sinnesphysiologischen Experimenten und unternahm intensive Selbstbeobachtungen. Seine Bonner Arbeiten zeugen noch von seiner naturphilosophischen Herkunft.
Eine auch für die weitere Geschichte der Physiologie essenzielle Schöpfung der Jahre in Bonn war das »Handbuch der Physiologie für Vorlesungen«.
Zu Müllers Schüler zählten unter anderem: Hermann von Helmholtz, Rudolf Virchow, Ernst Haeckel und Emil du Bois-Reymond, die ihrer Zeit zu Leitfiguren der naturwissenschaftlichen Ära der Medizin wurden.

Bereits in den ersten Jahren nach dem Neuaufbau des Physiologischen Institutes entwickelte sich eine rege Forschungs- und Lehrtätigkeit. 1868 gründete Eduard Pflüger die Zeitschrift »Archiv für die gesamte Physiologie des Menschen und der Tiere«. Heute ist diese Zeitschrift unter dem Titel »Pflügers Archiv, European Journal of Physiology« das offizielle Journal der Vereinigung Europäischer Physiologischer Gesellschaften.

Gründungsdirektor des physiologischen Institutes

Eduard Pflüger (1829-1910), Gründungsdirektor des physiologischen Institutes, vertrat das Fach der Physiologie ein halbes Jahrhundert an der medizinischen Fakultät Bonn. Das Institut galt als eines der best ausgestatteten der damaligen Zeit. Das Laboratorium Pflügers hier in Bonn wurde zu einem der bedeutungstragenden Zentren im Bereich der Stoffwechselforschung.

Pflüger wandte sich 1850 der Medizin zu, die er in Marburg und Berlin als Schüler Johannes Müllers und Emil Du Bois-Reymonds studierte. 1853 promovierte er »Ueber das Hemmungs-Nervensystem für die peristalischen Bewegungen der Gedärme« und wurde anschließend Emil Du Bois-Reymonds Assistent. 1858 habilitierte er sich für Physiologie und folgte ein Jahr später dem Ruf als ordentlicher Professor auf den neuen Lehrstuhl für Physiologie an der Bonner Universität. Pflüger beschäftigte sich vorzugsweise mit den sensorischen Funktionen des Rückenmarks, der Atmungsphysiologie und des Elektrotonus.

Von 1889 bis 1890 stand er der Universität als Rektor vor. In dieser Zeit erfolgte auch seine Ernennung zum Geheimen Medizinalrat.
Wegen seiner besonderen Leistungen auf dem Gebiet der Funktion der Nerven und Zellen wurde Pflüger seit 1902 mehrfach für den Nobelpreis nominiert. Einer seiner bedeutensten Schüler war Nathan Zuntz.

Die Studien Pflügers zeichnen sich durch methodische Sorgfalt und ertragreiche Versuchsanordnungen aus, dank derer er fundamentale physiologische Prozesse unter übergreifenden Theorien wie bspw. der Evolution erforschen konnte. Das von ihm herausgegebene und mit eigenen Beiträgen versehene »Archiv für die gesamte Physiologie« genoß internationale Anerkennung.

Ein Name, der eng an Eduard Pflüger geknüpft ist, ist Nathan Zuntz (1847-1920). Nathan Zuntz entstammte der Bonner Kaffeerösterei-Dynastie Zuntz, deren Unternehmen A. Zuntz sel. Wwe 1837 gegründet wurde (die Marke A. Zuntz sel. Wwe ist heute im Besitz der Firma Dallmayr). 1864 entschied sich der Nachkömmling für ein Medizinstudium an der heimischen Universität. Am Ende seines Studiums arbeitete Zuntz als Unterarzt bei Hugo Ruehle an der Medizinischen Klinik in Bonn. 1870 wurde er Assistent bei seinem Doktorvater Eduard Pflüger. Ein Jahr später wurde er zum Privatdozenten an der Bonner Universität und im Folgejahr Honorardozent für Physiologie an der Königlichen Landwirtschaftlichen Akademie in Poppelsdorf. 1874 bekam er die außerordentliche Professur für Physiologie an der Universität Bonn und begann, das tierphysiologische Laboratorium aufzubauen. Insbesondere seine tierphysiologischen Arbeiten sind wegbereitend für die Entwicklung der Physiologie. Zudem gilt er als Wegbereiter der Höhenphysiologie und Mitbegründer der Luftfahrtmedizin.
In den 1960er Jahren kamen Zuntz und das Institut für Physiologie wieder zusammen, da dem Institut die Villa der Familie Zuntz in der Argelanderstraße für ihre Forschungs- und Lehrtätigkeiten zur Verfügung gestellt wurde.

Nachfolger Eduard Pflügers wurde 1910 Max Verworn, der als Begründer der allgemeinen Zellphysiologie gilt. Er folgte 1923 einem Ruf nach Berlin und der vakante Lehrstuhl für Physiologie wurde 1924 mit Ulrich Ebbecke besetzt. Dieser leitete das Institut fast 30 Jahre bis 1953. Ihm folgten Kurt Wachholder (1954), Josef Pichotka (1962) und Jürgen Grote (1981). Unter Pichotka wurde 1972 ein zweiter Lehrstuhl für Physiologie an der Universität Bonn gegründet, auf den Hans Georg Haas berufen wurde. Er leitete das Institut für Physiologie II, das zunächst in Räumlichkeiten in der Wilhelmstraße untergebracht wurde, bevor es ebenfalls in den Gebäudekomplex in der Nussallee einzog.
Mit der Berufung Hans Georg Haas auf den zweiten Lehrstuhl wurde der Forschungsschwerpunk der Physiologie um den Aspekt der zellulären Elektrophysiologie des Herzens erweitert. Heute beschäftigt sich das Institut für Physiologie II insbesondere mit neurophysiologischen Fragestellungen.

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1 Becker, T; Rosin, P.: Die Natur- und Lebenswissenschaften: Geschichte der Universität Bonn, Bd. 4, S. 12.

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