Universität Bonn

Institut für Physiologie

Forschungsgebiet
Prof. Dr. Ilona Grunwald Kadow

Das Geheimnis der Motivation

Erfolg kommt nicht von ungefähr: Wer sein Ziel erreichen will, braucht Durchhaltevermögen. Doch woher kommt die Motivation dafür? Wir haben im Gehirn von Fruchtfliegen den neuronalen Schaltkreis identifiziert, der diese bei der Futtersuche zu Höchstleitungen antreibt.

Wie neuronale Schaltkreise hungrige Individuen zu Höchstleistungen antreiben

Der Duft von Essig oder Obst lässt Fruchtfliegen schneller laufen. Um das Futter zu erreichen, rennen sie bis zur Erschöpfung. Doch trotz der Anstrengung kommen sie ihrem Ziel nicht näher: Die winzigen Fliegen im Labor des Wissenschaftszentrums Weihenstephan der TUM sind am Oberkörper fixiert und können nur auf der Stelle laufen.

Die Bewegungen ihrer Beine drehen einen Ball, der auf einem Luftkissen schwebt. Aus der Drehgeschwindigkeit kann die Neurobiologin Prof. Ilona C. Grunwald Kadow ableiten, wie sehr sich eine Fruchtfliege bemüht, Futter zu finden.

»Unsere Experimente zeigen, dass hungrige Individuen ihre Leistung immer weiter steigern – sie laufen in einer Minute bis zu neun Meter. Satte Fruchtfliegen hingegen geben schnell auf«, berichtet die Forscherin. »Dies beweist, dass auch einfache Organismen Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit an den Tag legen – bisher dachte man, dass diese Eigenschaften Menschen und anderen höheren Lebewesen vorbehalten sind.«

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© Ariane Boehm
Eine Wissenschaftlerin und ein Wissenschaftler arbeiten hinter einer Glasfassade und mischen Chemikalien mit Großgeräten.
© Sercan Sayin

Ein neuronaler Schaltkreis steuert das Durchhaltevermögen

Zusammen mit Julijana Gjorgjieva, Professorin für Computergestützte Neurowissenschaften an der TU München und einem internationalen und interdisziplinären Forscherteam, konnte Grunwald Kadow erstmals einen neuronalen Schaltkreis im Gehirn der kleinen Fliegen identifizieren, der diese Art von Durchhaltevermögen steuert.


Dass die WissenschaftlerInnen ausgerechnet die Motivation von Fruchtfliegen untersucht haben, ist kein Zufall. »Die Fliegengehirne haben eine Million Mal weniger Nervenzellen als das menschliche Gehirn. Man kann daher bei Fruchtfliegen deutlich einfacher herausfinden, was ein einzelnes Neuron bewirkt und wie«, erläutert die Professorin. »So können wir die Prinzipien neuronaler Schaltkreise verstehen, die der Funktion auch komplexer Gehirne zu Grund liegt.«

Die Macht der Neuronen

Um den für die Motivation verantwortlichen neuronalen Schaltkreis zu identifizieren, verwendete das Team verschiedene Techniken: Zunächst wurde ein mathematisches Modell erstellt, welches das Zusammenspiel von äußeren und inneren Reizen – beispielsweise Essiggeruch und Hunger – simuliert.

Im nächsten Schritt identifizierten die NeurowissenschaftlerInnen der TUM zusammen mit KollegInnen in den USA und Großbritannien das gesuchte Netzwerk im Gehirn der Fruchtfliege. Dies gelang mithilfe von Elektronenmikroskopie, In-Vivo-Imaging und Verhaltensversuchen.

Das Ergebnis: Der gesuchte neuronale Schaltkreis liegt im Lern- und Erinnerungszentrum des Fliegengehirns. Gesteuert wird er durch die beiden Botenstoffe Dopamin und Octopamin. Das Dopamin verstärkt die Aktivität des Schaltkreises, steigert also die Motivation, das Octopamin hingegen senkt die Bereitschaft sich anzustrengen.

»Da diese Botenstoffe und entsprechende Schaltkreise auch im Gehirn von Säugetieren existieren, nehmen wir an, dass hier ähnliche Mechanismen über Weitermachen oder Aufhören entscheiden«, resümiert die Neurobiologin. Langfristig hoffen die ForscherInnen, dass ihre Erkenntnisse helfen zu verstehen, warum das Zusammenspiel von Neuronen und Botenstoffen im Gehirn beispielsweise bei Suchtkrankheiten aus dem Ruder läuft.

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© Anja Friedrich

Weitere Informationen

Für die Identifizierung neuronaler Schaltkreise kooperierten WissenschaftlerInnen der TUM School of Life Sciences, des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie, des Max-Planck-Instituts für Hirnforschung, der Universität Cambridge (UK), des Janelia Research Campus (USA) und des MRC Laboratory of Molecular Biology (UK).

Die Forschung wurde gefördert durch die Max-Planck-Gesellschaft, das European Research Council (ERC), das Marie Curie Training Network, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Howard Hughes Medical Institute (USA) und das Medical Research Council (UK). Julijana Gjorgjieva ist Tenure Track-Professorin im Max Planck@TUM-Programm der Technischen Universität München.


Publikationen

A Neural Circuit Arbitrates between Persistence and Withdrawal in Hungry Drosophila

Sercan Sayin, Jean-Francois De Backer, K.P. Siju, Marina E. Wosniack,Laurence P. Lewis, Lisa-Marie Frisch,Benedikt Gansen, Philipp Schlegel, Amelia Edmondson-Stait, Nadiya Sharifi, Corey B. Fisher, Steven A. Calle-Schuler, J. Scott Lauritzen, Davi D. Bock, Marta Costa, Gregory S.X.E. Jefferis, Julijana Gjorgjieva, Ilona C. Grunwald Kadow

Neuron 104, 1–15, November 6, 2019 – DOI: 10.1016/j.neuron.2019.07.028


Prof. Dr. Ilona Grunwald Kadow

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